B2B Social Media – Trends & Beispiele

B2B Social Media – Trends & Beispiele

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Das Interview führte Susanne Maier // Bilder & Screenshots: Wojtek Misiewicz / LINGNER.COM / Redaktion SocialHub Mag

Die Digitalagentur und Kreativberatung LINGNER.COM mit Sitz in Heilbronn ist spezialisiert auf B2B-Konzerne und begleitet deren digitale Kundenerlebnisse und Kommunikation. Was aus Agentursicht beim Thema Social Media speziell im B2B-Umfeld zu beachten ist und wie man Social Media als B2B-Unternehmen erfolgreich einsetzen kann, darüber haben wir uns mit Wojtek Misiewicz unterhalten, Partner bei LINGNER.COM und dort verantwortlich für den Bereich Social Media.


Susanne Maier:

Ihr seid spezialisiert auf B2B-Kunden. Gibt es deiner Meinung nach Unterschiede zwischen der digitalen Kommunikation im B2B-Umfeld im Vergleich zu B2C und wenn Ja, was für welche?

Wojtek:

Die Kommunikation unterscheidet sich im Grundsatz nicht wesentlich, da es letztendlich in beiden Fällen immer um die Kommunikation für reale Menschen geht. Wir erleben jedoch, dass B2B-Unternehmen anders strukturiert sind. Das B2B-Geschäft ist klassischerweise durch einen mehrstufigen Vertrieb mit mehreren Handelsstufen geprägt, was wiederum dazu führt, dass wir häufig sehr spezielle Nischen ansprechen, für die passende Botschaften herausgearbeitet werden müssen.

Wojtek Misiewicz ist Partner bei LINGNER.COM und verantwortet dort den Bereich Social Media.

Auch liegt der Fokus bei B2B-Unternehmen noch seltener auf der Marke und stärker auf den sehr erklärungsbedürftigen ‚High-Involvement‘ Produkten. Da digitale Kommunikation, insbesondere die in Social Media, so produktzentriert aber nicht funktioniert, plädieren wir dafür, nicht ausschließlich über das Produkt zu kommunizieren, sondern zunächst einmal Relevanz zu schaffen, indem wir kundenorientierter denken und verstehen, wie wir die Aufmerksamkeit der Kunden gewinnen und Mehrwerte schaffen können.

Gleichzeitig stellen wir bei vielen unserer Kunden fest, dass die Grenzen zwischen B2B und B2C, insbesondere auch durch die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation, zunehmend verwischen. So sind B2B-Brands nun plötzlich in der Lage, Handelsstufen zu überspringen. Das kann spannende Prozesse und Gedanken auslösen und zugleich neue Herausforderungen mit sich bringen: Wie beeinflusst das mein Geschäftsmodell? Den (digitalen) Vertrieb? Das Pricing?

Bei der Strategieentwicklung müssen wir ein genaues Verständnis erhalten, was der Kunde braucht, und herausarbeiten, was er erreichen möchte. Dafür müssen wir tief eintauchen in das Business, die verschiedenen Zielgruppen und Produkte, um passgenaue Lösungen und Kommunikation auszuarbeiten. Da B2B-Produkte meist komplexer sind im Vergleich zu B2C, bedeutet das für uns eine intensivere Auseinandersetzung. Wenn man als Agentur in der Lage ist, für diese Herausforderungen eine Leidenschaft zu entwickeln, kann das aber extrem spannend und befriedigend sein.

Was sind weitere spezielle Herausforderungen, die es im B2B-Umfeld zu bewältigen gilt?

Aus unserer Erfahrung geht es heute weniger darum, die Relevanz von Social Media erklären zu müssen.

Die ist meist gelernt. Die Offenheit für Social Media-Kommunikation ist da – meist in den Bereichen Marketing, Öffentlichkeitsarbeit oder HR. Es geht vielmehr darum, wie Social Media-Kommunikation professionalisiert und in der Organisation verankert werden kann, also um Fragen bezüglich Strategie, Ressourcen, Content, bis hin zur Transaktion. Dafür müssen wir heute Überzeugungsarbeit leisten, Pilotprojekte umsetzen, Erfolge aufweisen, um die interne Aufmerksamkeit, Budgets und Ressourcen für die Professionalisierung zu erhalten.

Eine weitere Herausforderung aus meiner Sicht, die mit der Professionalisierung einhergeht, ist die Organisation, also Organisationsstruktur und -entwicklung. Obwohl B2B-Unternehmen klassischerweise einen Eins-zu-Eins-Dialog zwischen Vertrieb und Kunde gewohnt sind und leben, die Kunden häufig sogar persönlich kennen, sind Kommunikation und Prozesse oft gar nicht auf den Kunden ausgelegt. Das betrifft zum Beispiel die Frage, welche Inhalte dem Kunden kommuniziert werden, wie mit (digitalen) Kundenanfragen oder Leads umzugehen ist, bis hin zur Frage der Bedeutung digitaler Kundenerlebnisse und -Services. Auf diese Art der Herausforderungen stoßen wir besonders häufig.

Welche Plattformen nutzen eure Kunden?

Bezüglich Plattformen oder auch Content gibt es geringere Unterschiede zwischen B2B und B2C, als man im ersten Moment vermuten würde. Für unsere Kunden haben wir bereits alle gängigen Plattformen und Formate schon genutzt. Es gibt jedoch eine erkennbare Tendenz: Business-Netzwerke wie LinkedIn und Xing spielen bei B2B eine wichtigere Rolle, in vielen Kampagnen kommen aber auch Facebook oder Instagram zum Einsatz. Die Frage nach der Plattform stellen wir uns als Agentur ansonsten erst ganz zum Schluss, wenn wir wissen, was und wen wir erreichen wollen.

“B2B kann immer noch von B2C lernen”

Nichtsdestotrotz kann B2B immer noch von B2C lernen, da bezüglich der Frage nach Plattformen und Formaten die Entwicklung bei B2B tendenziell zeitlich ein Stück weit nachgelagert erfolgt. Heutzutage fällt im Netz den so genannten „GAFA“-Plattformen (Google, Amazon, Facebook, Apple) eine wesentliche Rolle beim Kundenzugang zu.

Und wie ich mal bei Matthias Schrader von SinnerSchrader gehört habe, kommt je nach Branche ein zusätzlicher Player dazu, quasi der ‚GAFA +1‘, so zum Beispiel Uber mit Blick auf die Mobilitätsbranche. Somit ist die Herausforderung also, wie es Unternehmen gelingt ihren Kundenzugang in Zukunft zu behalten und zu steuern. Dieser müssen sich B2B- wie auch B2C-Unternehmen stellen.

Für B2B stellt sich die Situation so dar, dass die Social Media-Kommunikation gerade professionalisiert wird und die Plattformen als effiziente Kommunikationskanäle genutzt werden. Dennoch versuchen wir unsere Kunden auch heute schon dahingehend zu beraten, über ein weiteres Standbein nachzudenken, sich also nicht von den Plattformen abhängig zu machen, sondern zusätzlich eigene Kundenzugänge zu schaffen. Das können Blogs, Applikationen, Podcasts, Magazine und weitere Services sein, die einen Mehrwert für den Endkunden bieten und ihn an das Unternehmen binden.

Und was ist mit Instagram?

Instagram wird bei unseren Kunden häufig im Bereich des Recruitings oder Brandings eingesetzt, um jüngere Zielgruppen zu erreichen. Darüber hinaus lassen sich auf Instagram im B2B-Bereich durchaus spannende Stories spielen – zum Beispiel aus dem Arbeitsalltag bzw. Einblicke ins Unternehmen. Möglich sind auch interaktive Aufklärungskampagnen, da User zum Beispiel oft gar nicht wissen, wo das Produkt unserer Kunden im Alltag überall drinsteckt.


Auf seinem Karriere-Instagramkanal gibt Würth einen Einblick in den Ausbildungsalltag. Die Inhalte stammen hauptsächlich von den Auszubildenden selbst, zum Beispiel durch Takeover. Zum Launch des neuen Kanals veranstaltete Würth mit Interessierten und Influencerin Janina Hager einen Instawalk mit Instagram-Workshop auf dem Betriebsgelände, bei dem Content für den neuen Kanal entstand.


Welche Content-Formate bieten sich im B2B-Umfeld an?

Wir nutzen alle, die es gibt, und probieren gerne vieles aus. Hier sehe ich nicht grundsätzlich einen Unterschied zwischen B2B und B2C.

Essentiell für uns ist nach wie vor Bewegtbild, insbesondere in der Awareness-Phase. Wir haben es zum Teil mit erklärungsbedürftigen Produkten zu tun und müssen die Aufmerksamkeit der Zielgruppe zunächst erst einmal aufbauen. Dafür ist Bewegtbild ideal und wird von unseren Kunden auch immer stärker nachgefragt. Zeitgleich gibt es hier noch viel Potenzial in Bezug auf Storytelling-Ansätze oder die essentielle und mediengerechte Aufbereitung von Inhalten für Social Media-Plattformen. Neben Bewegtbild bieten sich auch Carousel Ads an, um Features und Arbeitsprozesse zu erläutern. Gute Erfolge konnten wir auch mit konzeptionell sauber eingesetzten Local Awareness Ads erzielen, zum Beispiel im Vorfeld von Messen oder der Kampagneneinbindung von lokalen Niederlassungen. Bei der Contentplanung und -strukturierung denken wir gerne in „Hero“- „Hub“- und „Event-driven“-Content. Hero-Content stellt dabei größere Kampagnen mit aufmerksamkeitsstarken Inhalten dar.


Wie inszeniert man ein komplexes B2B-Produkt auf Facebook und gewinnt damit die Aufmerksamkeit bei Kunden? Für Qiagen nutzte Lingner das Karussell-Anzeigenformat, bei dem bis zu zehn Videos oder Bilder)in einer Werbeeinheit untergebracht werden können, um so eine interaktiv erlebbare und zusammenhängende Story zu erzählen.

Eine speziell auf dieses Format ausgerichtete Videoproduktion machte es möglich, den Workflow eines ganzen Produktkomponenten-Systems zu veranschaulichen. Über 200.000 Personen interagierten mit der Anzeige, über 5.000 Personen besuchten die Produkt-Website. Facebook zeichnete das Beispiel als „Success Story“ aus.


Hub-Content ist wiederum die inhaltliche Grundlage des eigenen Hubs, zum Beispiel des eigenen Corporate Blogs. ‚Event-driven‘-Content greift ganz konkrete und zielgruppenrelevante Anlässe auf. Wir sind davon überzeugt, dass B2B-Unternehmen sehr spannende Geschichten zu erzählen haben, und auch sehr spannende Produkte besitzen. Diese in relevanten und mediengerechten Content zu übersetzen, ist die spannende Herausforderung und an der Stelle arbeiten wir am Bewusstsein der Kunden.

Welche Rolle spielt Werbung/Paid Social?

Der Einsatz von Paid Media wird zunehmend wichtiger, was nicht zuletzt den veränderten Algorithmen geschuldet ist. Ich halte es sogar für essenziell, damit guter Content von den richtigen Personen gesehen wird und die Kommunikation einen Wertbeitrag stiften kann.

Generell ist das Targeting im B2B extrem wichtig, da die Zielgruppen oftmals sehr spitz definiert sind. Wir können beispielsweise nicht „alle Personen zwischen 16 und 29 Jahren in Deutschland, die an einem Smartphone-Kauf interessiert sind“ adressieren, sondern müssen uns überlegen, wie wir die CEOs eines Logistikunternehmens erreichen können. Das ist einer der Gründe, weshalb die Klickpreise im Vergleich zu B2C teurer sind, da die Grundgesamtheit eine andere ist.

Es wird häufig gesagt, dass die Interaktionsraten im B2B-Bereich niedriger seien. Wie sehr Ihr das?

Die Frage ist doch: Womit möchte ich mich überhaupt vergleichen? Und warum? Es macht keinen Sinn, wenn ich meine Zahlen als B2B-Unternehmen mit einer großen B2C-Marke vergleiche. Nicht zuletzt durch die Entwicklung der Social Media-Plattformen hin zu Paid Media-Angeboten und dem Verfall der organischen Reichweite ist ein direkter Vergleich von Interaktionsraten oder gar Fans und Followern absurd und nicht zielführend.

Vielmehr müssen wir von den eigenen Geschäfts- und Marketingzielen kommend relevante Kommunikationsziele ableiten und diese für Social Media herunterbrechen. Dann kann ich überhaupt erst damit beginnen zu messen, welchen Wertbeitrag Social Media leisten kann, zum Beispiel wie viele Klicks auf meine Website oder gar Leads generiert wurden.

Gibt es Themen, bei denen Ihr eure Kunden/die Branche gerne zum Umdenken bewegen würdet?

Was man sich immer wieder klar machen muss: Social Media ist kein kostenloser Kanal, sondern immer mit Ressourceneinsatz, Zeit oder Budget verbunden. Gleichzeitig kann ich professionell darüber kommunizieren und Businessrelevanz herstellen. Ein weiterer Aspekt ist das Thema KPIs. Statt der Anzahl der Follower oder dem Vergleich mit B2C-Brands wollen wir dazu anregen, sich wirklich mit den eigenen Marketingzielen zu beschäftigen und eigene KPIs zu entwickeln und zu nutzen. Ein weiteres wichtiges Thema, bei dem häufig ein Umdenken erforderlich ist, betrifft die Kundenorientierung in Bezug auf die eigenen Prozesse, Organisation und Content.

Was sind derzeit die Trends in der digitalen B2B-Kommunikation?

Ein Trend, den wir sehen ist „Employee Advocacy“. Mitarbeiter werden zunehmend in die Kommunikation über soziale Netzwerke mit einbezogen, geschult und unterstützt, um die persönlichen Profile speziell in Business Networks für die Kommunikation zu nutzen. Ein weiterer Trend ist das Thema Chats oder gar Chatbots als eine interessante Möglichkeit, digitalen Kundenservice anzubieten und das Kundenerlebnis digital zu gestalten. Außerdem bin ich sehr gespannt, wie sich Künstliche Intelligenz in den Bereichen Content und Kommunikation weiterentwickelt.