Dr. Sarah Träutlein – Und auf einmal fand ich SAP cool

Dr. Sarah Träutlein – Und auf einmal fand ich SAP cool

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HANIX #63 // Von Robert Mucha // Fotos: Ulla Kühnle

Dr. Sarah Träutlein war im »Future of Work«-Team Solution Owner für die Work-Life Lösung bei SAP, die sich auf das Wohlbefinden und die Zufriedenheit der Mitarbeiter fokussiert, ehe sie diesen August intern in ein anderes Innovationsteam wechselte.

Wir sprachen mit der Wirtschaftsinformatikerin, die ursprünglich Designerin werden wollte über ihren ersten schrecklichen Eindruck ihres Arbeitgebers, was passierte, dass sie ihr Unternehmen irgendwann doch cool fand, wie man Mitarbeiter dazu motiviert, sensitive Daten in eine Unternehmenssoftware einzugeben und wie die Work-Life-App denn Mitarbeitern dabei hilft, sich weiterzuentwickeln und sich wohler am Arbeitsplatz zu fühlen.


Hanix:

Sarah, du warst »Solution Owner« hier bei SAP, ehe Du dich seit Neustem um »Innovationen für den Mittelstand« kümmerst. Was bedeutet »Solution Owner«? Du besitzt die Lösung?

Dr. Sarah Träutlein:

Solution Owner hört sich ein wenig nach »das gehört jetzt mir« an, dabei ist es nicht die Kultur, die wir hier bei SAP leben. Wir arbeiten in einem agilen Kontext nach der Scrum-Methode. Scrum ist ein Vorgehensmodell des Projekt- und Produktmanagements, insbesondere zur agilen Software-Entwicklung. Da gibt es die Rolle eines Scrum Masters und die eines Product Owners. Und der Solution Owner ist im entfernten Kontext eine Rolle in diesem typischen Kontext von Scrum. Das heißt, ich habe mir die Anforderungen vom Kunden an das Produkt angeschaut und dieses Feedback und den Kunden-Input in Konzepte umgebaut und gemeinsam mit dem Team ins Produkt integriert. Wir haben immer eine Art Team gehabt, das gemeinsam an einem Produkt gearbeitet und auch gemeinsam das Produkt voran geschoben hat. Und ich war die Schnittstelle in den letzten Jahren.

Und wie sah dein agiler Alltag aus? Eine gewisse Struktur wird er gehabt haben …

Eine ganze Zeit lang wurde mein Alltag von meinem Terminkalender dominiert: von vielen Meetings, von denen ich bei einigen tatsächlich die Sinnhaftigkeit infrage gestellt hatte. Man gerät in eine Meeting-Mühle und kommt gar nicht mehr richtig dazu, seine Aufgaben zu erledigen. Aber das haben wir ganz gut in den Griff gekriegt, indem wir uns für die Vormittage Meeting-Blocker gesetzt haben: Bis 11 Uhr wurde bei uns fokussiert gearbeitet, und erst danach waren Meetings erlaubt.

Und die reihten sich dann bis zum Feierabend aneinander?

Ja, das ging dann bis Feierabend. Das erste 11-Uhr-Meeting des Tages war unser Daily Scrum, in dem wir uns für eine halbe Stunde zusammengestellt haben und jeder erzählte, woran er gerade arbeitet.

Uns ist aufgefallen: Es gibt hier sehr viele Kaffee-Ecken, in denen sich getroffen wird. Finden viele Meetings in diesen Verweilzonen statt?

Die Kaffee-Ecken-Kultur ist bei uns ganz wichtig. Oder auch die Lunch-Kultur. Lunchen gehen, ist ein sehr wichtiges Thema hier: Netzwerk aufbauen, mit Leuten reden, sich mal zum Kaffee treffen und austauschen.

Glaubt man bei SAP daran, dass Innovation aus Kollision, also aus zufälligen »Zusammenstößen«, z. B. am Kaffeeautomaten, entsteht?

Aus meiner Sicht ist das auf jeden Fall Teil der Kultur bei uns. Was wir gerade auch ganz intensiv versuchen zu etablieren, ist das Thema »Fehler machen«. Man sollte aber daraus lernen. Das ist ganz wichtig.

Wir hätten einen Vorschlag: SAP-interne Fuck-up-Nights.

Damit haben wir schon angefangen. Wir hatten dieses Jahr bereits die Erste. Ich finde das ziemlich cool. Aber auch dafür muss die Kultur erst entstehen. Sich auf eine Bühne zu stellen und sagen: »Ey, ich habe einen Fehler gemacht. Hört mal alle zu, so war’s.«

Was war denn der letzte persönliche Fehler hier im Arbeitsumfeld von dir, den du gerne teilen würdest, damit deine Kollegen den nicht machen?

Wenn ich an das Produkt Work-Life zurückdenke, gibt es einen groben Schnitzer, aus dem ich persönlich gelernt habe: Wir haben dieses Produkt immer mit Kundenfokus gebaut. Wir haben von Anfang an mit Co-Innovationspartnern Design Thinking Workshops gemacht, haben mit ihnen kreativ gearbeitet, das Produkt weiterentwickelt. Und das hat super funktioniert. Wir haben uns regelmäßig getroffen und gemeinsam einen Prototyp gebaut, den wir mit den Co-Innovationspartnern getestet haben; diese kamen aus den verschiedensten großen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland. Und wir haben das Produkt auf den Markt gebracht. Etwas später hat man aber schnell gemerkt: Wir haben mit vielen Mitarbeitern im Unternehmen gesprochen, die das Unternehmen darstellen und das Interesse des Unternehmens widerspiegeln.

Hanix:

Aber nicht das Mitarbeiterinteresse?

Dr. Sarah Träutlein:

Der Nutzer dieser Lösung ist der Mitarbeiter. Und wir wollten dem Mitarbeiter eine Möglichkeit geben, seinen Unternehmensalltag zu verbessern und haben am Anfang überhaupt nicht darauf geachtet, das Produkt von der User-Experience aus so zu bauen, dass er es auch tatsächlich nutzen kann und intuitiv versteht. Ein »total Fail« in meinen Augen. Und keiner hat es vorher so richtig realisiert. Manchmal ist man Betriebsblind …

Und dann: Alles auf Reset?

Wir haben uns hingesetzt und ein halbes Jahr User-Research gemacht. Wir haben uns die Nutzer angeschaut, wir haben mit den Nutzern gesprochen. Wir haben uns en détail damit beschäftigt und konnten auch alle Themen, die sich damit auseinandergesetzt haben, tatsächlich anpassen.

Gibt es noch große Vorbehalte, öffentlich vor den Kollegen Schwäche zu zeigen? Und gibt es einen Unterschied zwischen den Generationen, wie offen sie dem »öffentlichen Scheitern« gegenüber stehen?

Ich glaube, das ist schon ein Generationenthema. Und es spielt auch eine Rolle, von wem man gelernt hat. In jedem großen Unternehmen gibt es Denkschulen, Glaubensvorsätze, Führungsstile. Und je nachdem, was man selbst durchlaufen hat, so hat man eine Tendenz auch so zu handeln. Das merke ich bei mir selbst: Ich habe meine Führungskraft, die einen sehr offenen Führungsstil hat und die Leute dazu anhält, mitzudenken, schon seit einigen Jahren. Was nicht überall der Fall ist in so einem großen Unternehmen. Es gibt genügend Manager, die einem sagen, was man zu tun hat. Und dann muss man das genauso ausführen. Und wenn man das nicht macht, hat man ein Problem.

Deine Abteilung arbeitet anders?

Ich muss jeden Tag so viel denken, dass mein Gehirn raucht, wenn ich hier rauslaufe. Ich trage viel Verantwortung: für das, was ich selbst mache, für Teams, mit denen ich zusammenarbeite. Ich genieße dadurch viele Freiheiten. Und ich glaube, wenn man solch eine Schule durchläuft, dann hat man auch diese Glaubenssätze verinnerlicht und eine Veranlagung dazu.

Also gilt es für die SAP, diese Offenheit im Unternehmen zu etablieren? Oder ist diese Diversität in Denkschulen gewollt? Nach dem Motto: Es ist gar nicht schlecht, dass ein gewisser Anteil an Führungskräften autokratischer unterwegs ist.

Ich kann nur aus meiner eigenen Perspektive und dem, was ich so höre, etwas sagen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die SAP nicht das Ziel hat, hier das Motto »Zuckerbrot und Peitsche« als Denkweise zu etablieren. Als großes Unternehmen müssen wir uns gegen unsere Konkurrenten durchsetzen. Und das geht nur mit innovativem Denken. Und innovatives Denken funktioniert nur, wenn man den Leuten den Freiraum dazu gibt, sich diese Denkweisen anzueignen. Wenn man immer genau sagt, was zu tun ist, wird man sich weder selbst noch werden die Mitarbeiter sich jemals weiterentwickeln.

Bekommt man in so einem Riesenladen wie der SAP manchmal auch erst verspätet mit, was für Departments es hier gibt, die einem weiterhelfen können?

Selbstverständlich und das passiert leider in meinen Augen viel zu oft. Das wird man niemals ganz lösen können, weil es in einem großen Unternehmen nun mal einfach so ist, dass man nicht von jedem weiß, was er tut; nicht jede Organisation weiß, was die andere macht. Aber dafür sind Kaffee-Ecken hilfreich.

Hanix:

Du hast als Werkstudentin hier angefangen …

Dr. Sarah Träutlein:

Ich wollte ursprünglich was ganz anderes machen. In meinem Herzen war ich immer eine kleine Designerin, habe mein Abi in Kunst gemacht. Das Schicksal hat es anders mit mir gewollt. Ich habe Wirtschaftsinformatik studiert und in meinem Master angefangen, bei SAP als Werkstudentin zu arbeiten. Ich bin in einem Team gelandet, das damals SAP Research hieß. Ich fand es furchtbar.

Das kann man sich heute kaum vorstellen, dass du es hier mal doof fandest.

Ich saß am Ende der Welt, in irgend einem kleinen Container, hatte einen langsamen Computer und Themen, die nur was mit Exceltabellen zu tun hatten. Ich dachte mir: Um Himmels willen, was für ein Laden! Da bleibe ich nicht.

Nun bist du seit acht Jahren im Unternehmen. Welche Abbiegung hast du damals verpasst, um hier rauszukommen?

Wie es so oft ist in großen Unternehmen, kam auf einmal die Reorganisation. Alle werden in einen Topf geworfen, alles wird einmal durchgeschüttelt wie in einem Mixer, und dann wird man neu verteilt. Und so bin ich in dem Team gelandet, in dem ich heute noch bin.

Was war so anders, dass du Blut geleckt hast?

Da war auf einmal ein Innovationsteam, das sich mit interessanten Themen beschäftigt hat und dafür Research betrieben hat. Aber gleichzeitig war das Ziel immer, ein Produkt zu entwickeln.

Wie viel hattest du noch mit Excellisten da zu tun?

Zero. Das Thema, mit dem wir angefangen haben, war »Immaterielle Vermögenswerte«: Was ist der Mensch wert im Unternehmen? Schwer messbar und in Exceltabellen nicht darstellbar. Man kann immer nur messen, was die Kosten eines Mitarbeiters sind.

Klingt logisch.

Wir haben uns angeschaut, wie man den Wert eines Mitarbeiters messen kann. Und das war sehr interessant. Nach meiner Masterarbeit stellte sich die Frage, was ich als Nächstes mache? Ich wollte in dem Projekt bleiben, weil ich das Thema so spannend fand. Und auf einmal fand ich SAP cool.

Hanix:

Du saßt am Anfang nur am falschen Platz im für dich falschen Team?

Dr. Sarah Träutlein:

Da sieht man, inwieweit ein Team dafür entscheidend ist, ob man es irgendwo gut findet oder nicht. Die SAP selbst ist ein superguter Arbeitgeber. Aber das Team an sich war entscheidend, dass ich mich auf einmal wohlgefühlt habe in dem Unternehmen.

Du hast am Ende am eigenen Leib gespürt, wie relevant das Team, der Arbeitsraum oder die zu lösende Aufgabe für dein Wohlbefinden, aber auch für deine Leistungsfähigkeit fürs Unternehmen war?

Die Motivation für die Aufgabe ist ebenso wichtig. Die ganze Zeit in Exceltabellen irgendetwas Hin und Her zu schubsen ist nun mal nicht meine Art. Ich brauche Kreativität, ich muss mich selbst entfalten können. Ich muss Sachen erarbeiten können. Vielleicht auch übersetzen können. Das heißt, jemand erzählt mir was von einer Idee und ich darf mir dann überlegen, wie man so etwas in eine Softwarelösung umsetzen könnte. Solche Sachen machen mir unheimlich viel Spaß, und das durfte ich auf einmal tun. Ich habe einen Chef, der das früh erkannt und mir die Möglichkeit gegeben hat, mich auch genau in die Richtung weiterzuentwickeln.

Deswegen wolltest du bleiben …

Es hieß aber: »Wir haben keine Stellen bei SAP.« Aber es gab Doktorandenverträge. Mein Chef hat mir angeboten, meine Doktorarbeit bei SAP zu schreiben.

Kam dein Chef mit dem konkreten Thema für deine Doktorarbeit an?

Das Thema Privatsphäre kristallisierte sich schnell heraus. In unserer Softwarelösung geht es viel um das Thema Zufriedenheit des Mitarbeiters. Er muss viele persönliche, potenziell sensitive Daten preisgeben. Da stellt sich die Frage: Wie motiviert man denn den Mitarbeiter in seinem Sinne dazu, dass er die Daten einträgt. Das war für uns schon immer ein großes Fragezeichen. Denn wir wussten, die Software würde nur funktionieren, wenn der Mitarbeiter bereit ist, seine Daten einzugeben.

So wurde dann am Ende deine Doktorarbeit mitentscheidend für die Weiterentwicklung des Produkts?

Die Ergebnisse sind maßgeblich eingeflossen. Ich habe mir genau angeschaut, was die Rahmenbedingungen sein müssen, damit Mitarbeiter bereit sind, in eine Unternehmenssoftware ihre sensitiven Informationen einzutragen.

Was kam dabei raus?

Ein typisches Beispiel für solch ein Thema ist Facebook. Jeder benutzt Facebook, Instagram oder andere soziale Netzwerke. Die Nutzer geben dort alle möglichen Daten ein, wohlwissend, dass die Daten missbraucht werden. Trotzdem sind sie bereit, ihre Daten preiszugeben: Weil ihr Mehrwert so groß ist. Und das ist genau der gleiche Mechanismus in einem Unternehmen.

Nur dass ihr die Daten nicht weiterverkaufen wollt …

Im Fall der Unternehmenssoftware geht es um die Angst, die bei einem Mitarbeiter herrscht, wenn er solche Informationen preisgibt: »Wer darf die danach sehen? Sieht der Manager dann, dass man unzufrieden ist? Oder kann es jemand irgendwie nachvollziehen, dass man etwas eingegeben hat?« Da ist das Risiko etwas anders definiert. Aber es geht gar nicht darum, was tatsächlich passiert, sondern immer um die Wahrnehmung des Mitarbeiters. Nimmt er wahr, dass er dem Unternehmen vertrauen kann oder nicht.

Welche Erkenntnisse hat die SAP aus deiner Doktorarbeit nutzen können?

Das waren hauptsächlich Designprinzipien, die wir abgeleitet haben und die in die Software eingeflossen sind, aber auch die Erkenntnis: Es ist nicht nur mit Software getan. Man kann eine tolle Software im Unternehmen einführen, die die Mitarbeiterzufriedenheit steigern soll. Am Ende des Tages geht es um die Kultur, die im Unternehmen herrscht und die Art und Weise, wie so was tatsächlich eingeführt wird. Man kann nicht einfach die Software über den Zaun kippen und sagen: Hier, jetzt viel Glück! Da müssen Angebote drum rum gestrickt werden. Man muss Vertrauen aufbauen – im Vorfeld und im Nachgang. Man muss mit den Daten, die generiert werden, Gutes tun.

Dann erzähl mal über die Software für die du gearbeitet hast.

Es ist ein Produkt, das sich um das Thema Mitarbeiterzufriedenheit und Wohlbefinden am Arbeitsplatz kümmert, mit dem Fokus auf den Mitarbeiter. Die Software sollte den Mitarbeiter unterstützen bei der Frage: Was kann ich tun, damit ich mich wohler und gesunder fühle am Arbeitsplatz?

Was ist für dich Mitarbeitergesundheit?

Das Thema Wohlbefinden am Arbeitsplatz geht weit über die körperliche Gesundheit hinaus: Wie kann man mit großer mentaler Belastung am Arbeitsplatz umgehen. Wie fühlt man sich in seinem sozialen Netzwerk? Fühlt man sich wohlaufgehoben? Gibt es Leute, die einen, wenn es schlecht geht, besänftigen können? Aber es geht auch um die organisationale Gesundheit: Fühlt man sich in seinem Team wohl? Hat man eine Führungskraft, die einen unterstützt? Arbeitet man an einem Thema, das spannend ist, in das man seine Fähigkeiten mit einbringen kann? Ist man überfordert oder unterfordert? All diese Dinge sind in dieser Softwarelösung zusammengeflossen. Und Mitarbeiter können im Endeffekt über kleine Fragebögen Daten ins System eingeben.

Hanix:

Es geht also auch um persönliche Dinge: Wie schläfst du? Wie ernährst du dich? Konsumierst du Substanzen? Aus dem privaten Bereich dürfte die Bereitschaft zur Dateneingabe geringer sein als zu Fragen, die das berufliche Umfeld betreffen …

Dr. Sarah Träutlein:

Definitiv kommt es darauf an, wie sensitiv die Daten sind. Aber das ist auch wieder eine Wahrnehmungssache. Jeder Mitarbeiter nimmt die Sensitivität von Daten unterschiedlich wahr.

Wie kann man dafür sorgen, dass Vertrauen aufgebaut wird? Dass man bereit ist, Informationen preiszugeben und auch nicht das Gefühl hat, andere »Kasten« im Unternehmen haben einen tieferen Einblick in die Daten als man selbst.

Es gab zum einen die User-Experience, von der ich vorhin schon gesprochen habe: Ich als Mitarbeiter habe Spaß daran, Softwaresysteme zu nutzen und habe das Gefühl, ich habe einen Mehrwert davon; also ich gewinne, wenn ich Daten preisgebe. Und Transparenz ist ganz entscheidend. Der Mitarbeiter weiß immer, was mit seinen Daten passiert. Egal wo die Daten hingehen, der Mitarbeiter weiß das. Und er hat selbst Einblicke. Er kann selbst Vergleiche ziehen. Er kann sich anschauen, wie es seinem Team geht – auf einer aggregierten Ebene, anonymisiert, in verschiedensten Themenbereichen. Wellbeing zum Beispiel. Wie geht es meinem Team? Wie fühlt sich das Team mit seinen Möbeln, mit denen es arbeitet? Durch diese Transparenz, die man schafft und durch Vermeidung von »Information Hiding« kann man Vertrauen gewinnen.

Es soll also keinen Informationsvorsprung für höhere Hierarchien geben? Manager können das kaum gut finden …

Solche Lösungen sind nicht für jedes Unternehmen gemacht. Es gibt Unternehmen, die sind von ihrem Reifegrad nicht bereit, so eine Transparenz zuzulassen. Die würden so eine Software einführen, aber die würden nichts davon haben. Die Mitarbeiter würden die Software nicht benutzen, weil sie dem Unternehmen nicht vertrauen oder weil sie das Gefühl haben, das Management würde mit den Daten sowieso nichts machen.

Was hat der Betriebsrat zu eurer Produktidee gesagt?

Ein Betriebsrat guckt sich so etwas besonders genau an. Bei solchen Ansätzen geht es um sensitive Mitarbeiterdaten, da muss man einhundert Prozent sicherstellen, dass die Daten nicht vom Unternehmen missbraucht werden können. Auch Betriebsräte sehen in solchen Ansätzen Chancen, in Echtzeit transparent zu machen, wie es den Mitarbeitern tatsächlich geht. Heute macht man das in der Regel per Mitarbeiterumfrage. Die wird einmal im Jahr durchgeführt und es wird abgefragt, wie es den Mitarbeitern geht. Das ist nur eine Momentaufnahme, die zählt dann aber für ein oder zwei Jahre.

Dann ist dieser Ansatz für tägliche Mitarbeiterumfragen geeignet?

Es ist wie ein Pulsmesser. Man kann regelmäßig schauen, wie es Mitarbeitern tatsächlich geht. Aber dies beruht extrem auf Freiwilligkeit. Der Mitarbeiter soll sich einbringen, wenn er das möchte, denn er hat ja auch was davon. Aber er weiß, was mit seinen Daten passiert. Und ein Betriebsrat hat die Möglichkeit, damit auch Probleme aufzuzeigen und zu sagen: »Da läuft irgendetwas komplett schief.«

Hanix:

Es gibt die Dateneingabe, es folgt eine Analyse. Dann soll es aber weitergehen. Handlungsoptionen sollen durch Algorithmen gegeben werden, was der Mitarbeiter tun kann, damit es ihm besser geht.

Dr. Sarah Träutlein:

Ja, genau. Algorithmen hört sich immer so böse an, da kriegen viele gleich Angst. Aber es ist keine Zauberei, die dahinter stecken soll. Es geht vielmehr um eine Art Matching-System. Alles Mögliche, das sich um das Thema Wohlbefinden am Arbeitsplatz und auch persönliches Wohlbefinden dreht, soll einem Mitarbeiter angeboten werden. Dementsprechend werden durch den Algorithmus, der im Hintergrund läuft, Handlungsoptionen vorgeschlagen. Darüber wird dazu gelernt, z. B. was andere Leute in derselben Situation gemacht haben. Es ist ganz ähnlich, wie man es z. B. von Amazon kennt: Leute, die das gekauft haben, haben auch jenes gekauft. So wird gelernt, was sinnvoll ist und was nicht.

Kann man das mit künstlicher Intelligenz gleichsetzen?

So weit würde ich auf gar keinen Fall gehen. Künstliche Intelligenz ist weit entfernt von dem, was hier beschrieben ist. Niemand will eine KI, die einem am Ende des Tages sagt, was man zu tun und zu lassen hat. Der Ansatz soll inspirieren. Es soll Anhaltspunkte geben, in welche Richtung man sich weiterentwickeln kann. Inspiration ist in dem Fall ganz wichtig. Denn es wird einem nicht das Allheilmittel präsentiert. Aber es zeigt einen Blumenstrauß an Möglichkeiten auf, die helfen können.

Im aktuellsten Gallup Engagement Index steht, dass 87 Prozent der Mitarbeiter nicht zu hundert Prozent für ihr Unternehmen engagiert sind. Darin steckt ein Riesenpotenzial und eine Riesenchance für die Unternehmen.

Dieser Wert ist nicht nur eine Chance, sondern auch erschütternd. Wir bei SAP machen viel dafür, dass es bei uns bessere Werte gibt. Da muss ich mein Unternehmen hochloben. Ich habe das Gefühl, dass wir auf dem Feld vielen anderen voraus sind. Allein unser Mitarbeiterangebot ist herausragend. Seien es die Sportmöglichkeiten, die wir hier haben. Es gibt gesundheitlichen Support, den wir bekommen. Es gibt Coachings und Angebote zur persönlichen Weiterentwicklung. Wir haben coole Möglichkeiten, uns einfach mal zu treffen – ich sprach unsere Kaffeekultur ja schon an. Es gibt die Freiheiten, von zu Hause oder einem anderen Ort zu arbeiten. Wenn ich wollte, könnte ich mich egal wohin setzen zum Arbeiten, solange ich meine Arbeit mache. Alleine diese Freiheit zu haben und diese Entscheidungen selbst treffen zu können, ist sehr wertvoll.

Klingt, als könnte man sich hier wohler fühlen als zu Hause und rund um die Uhr hier abhängen …

Das ist in meinen Augen nicht das Ziel. Gerade in Richtung Achtsamkeit machen wir viel. Dass die Mitarbeiter lernen, auf sich zu achten, ihre Grenzen kennen und wissen, dass sie das Handy auch mal weglegen sollen, um sich um sich und ihre Familie zu kümmern.