Milliardäre in Flipflops – Oliver Hanisch

Milliardäre in Flipflops – Oliver Hanisch

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HANIX #63 // Von Robert Mucha // Fotos: Ulla Kühnle & Kami Blusch

OLIVER HANISCH ist aus der San Francisco Bay Area nach Heilbronn gezogen. Der Arbeit wegen. Der gebürtige Schwabe kehrt nach 14 Jahren dem Silicon Valley den Rücken zu, um hier als Geschäftsführer der Campus Founders ein neues Kapitel seines Berufslebens aufzuschlagen und der Stadt und Region neuen Gründergeist einzuimpfen.

Wir sprachen mit dem »Kalifornier im Geiste« über den Look kalifornischer Milliardäre, die Unterschiede kalifornischer und deutscher (Unternehmer)denke, die wichtigen Rollen der einzelnen Stakeholder in Startup-Ökosystemen, dem Unterschied zwischen einer »New Work«Philosophie und »New Work«-Toolkits und was die Campus Founders überhaupt vorhaben.


Hanix:

Oliver, Du bist Neuankömmling in der Stadt und hast einen neuen Job als Geschäftsführer bei den Campus Founders. Was hast du in der Zeit, bevor du nach Heilbronn gekommen bist, gemacht? Du warst zuletzt in Kalifornien und hast da gelebt und gearbeitet.

Oliver Hanisch:

Ich bin schon immer unternehmerisch tätig gewesen. 2005 hatte ich in München eine kleine Firma, die Projekt Consulting gemacht hat; gerade in einer Phase, in der die Wirtschaft im Umbruch war. Und einer meiner größten Kunden – und auch mit einer der Gründe, warum ich in München war –, war damals Siemens. Mir wurde angeboten, dass meine Firma in Siemens aufgeht. Gleichzeitig hatte ich einen Kunden in Silicon Valley, Red Herring, eine Medien Company, die schon zuvor bei mir angeklingelt hatten und mich ins Silicon Valley holen wollten.

Dein Einstieg in die Welt der Startups und Venture Capital Fonds?

Meinen ersten Kontakt zu Startups, VCs und Corporate-VCs gab es schon vor Kalifornien zusammen mit Siemens, die in diverse Technologie-Startups investiert hatten. Gleichzeitig gab es noch den Kunden aus Silicon Valley, bei dem es auch um Start Ups und VCs ging. Für die habe ich in Deutschland einige Projekte durchgeführt, bevor ich ins Silicon Valley gegangen bin.

Gab es einen »cultural clash« für dich, als du vor Ort die amerikanische Startup-Welt erleben konntest?

Vorher war ich der typisch deutsche Gründer, der mutig genug war, zu gründen und es auch geschafft hat, ein profitables Business und ein Team aufzubauen, aber weit weg ist von diesem Gedanken, den die Amerikaner haben: global skalierbare Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Nach dem Motto: Think Big?

Dieses »Think Big«, genau. Das hatte ich mit dem Umzug nach Silicon Valley das erste Mal so wirklich erlebt, was es bedeutet; wie man dort denkt, wie man dort arbeitet. Auch wie man dort Fehler macht. Also für mich als gebürtigen Schwaben haben viele Dinge überhaupt keinen Sinn gemacht. Beispielsweise wie Venture Capital von den Startups ausgegeben wurde.

Waren dir die Amis zu risikobereit?

Ja. Mit welcher Geschwindigkeit das Kapital investiert wurde, war völlig neu für mich. Deren Mindset war: Das Geld legt man nicht für schlechtere Zeiten zurück, sondern investiert es in die Zukunft – und das heißt dann oft in Leute. Beeindruckend war auch, wie schnell Entscheidungen gefällt werden, wie schnell Strategien verabschiedet werden, wie schnell in die Umsetzung gegangen wird, wie schnell Mitarbeiter rekrutiert werden. Aber auch wie schnell Leute entlassen werden und alles den Berg wieder runtergeht.

Du sprichst die Wirtschaftskrise an?

Ich habe damals erlebt, was es wirklich bedeutet, in einer Wirtschaftskrise zu sein. In Deutschland ging das Leben fast weiter wie immer, außer natürlich für die einzelnen Personen, die direkt davon betroffen waren. Aber für den Rest der Gesellschaft: Business as usual. Das ist dort ganz anders gewesen. Plötzlich war kein Stau mehr auf der Autobahn, in den Shopping Malls war jeder zweite Laden geschlossen und mit Brettern verbarrikadiert. Das hat einen ganz anderen Impact. Und daraus resultierend ticken die Leute auch ganz anders, sie schätzen die Dinge einfach anders ein, weil sie nicht dieses Gefühl der Sicherheit haben. Und dadurch sind sie immer ein bisschen hungriger und auch ein bisschen mehr bereit, ein Risiko einzugehen.

Sind die Kalifornier optimistischer als wir Deutschen?

Aus meiner Sicht sind sie das. Sie sehen eher die neuen Chancen, nicht unbedingt die Gefahren. Der Optimismus ist dort weit verbreitet.

Campus Founders: Björn Conrad (links) zuständig für Communication & Experience und Geschäftsführer Oliver Hanisch.

HANIX:

Hauptsächlich warst du in den letzten Jahren in Kalifornien dabei, mit den German Silicon Valley Innovators Inc. und den German Accelerator Inc, zwei Unternehmen, die du mitgegründet und aufgebaut hast, Brücken zwischen Deutschland und dem Silicon Valley zu schlagen?

Oliver Hanisch:

Ursprünglich bin ich rüber, um – als einziger Deutscher – bei Red Herring mitzumachen. Als wir 2011 dann den German Accelerator gegründet und gestartet haben, ging für mich auch wirklich aktiv diese Brücke zwischen Deutschland und dem Silicon Valley los. Vorher war ich aber schon aktiv in der German-American Business Association, der ich von Anfang an beigetreten war und auch eine Rolle übernommen habe. Unter den verschiedenen Industriegruppen war ich der Verantwortliche für die Industriegruppe Venture Capital und Entrepreneurship. Insofern bin ich schon immer im Austausch zwischen Deutschland und den USA gewesen. Aber so richtig beruflich eben seit dem German Accelerator 2011 bis heute.

In welcher Taktung kamen Business-Touristen aus Deutschland, um eine Silicon-Valley-Tour zu machen? Ihr habt solche Touren sicher auch organisiert …

Wir haben versucht, diesem Tourismus fernzubleiben. Aber jede Woche ist irgendjemand da gewesen: jemand Großes, jemand Wichtiges. Es ist auch ein sehr großes Umfeld. Man darf nicht vergessen: Es wohnen ca. 50.000 Deutsche in der San Francisco Bay Area. Die haben natürlich ständig Besuch aus Deutschland da.

Klingt nach einer vitalen Branche: Silicon-Valley-Business-Tourismus.

Der Tourismus ging tatsächlich dann irgendwann los. Wir haben uns aber nicht als Reisebüro verstanden, sondern eher als Brückenbauer, die sozusagen die guten Dinge von beiden Seiten verbinden wollen. Und diese Idee sollen auch die Campus Founders transportieren. Wir wissen, in Deutschland gibt es Dinge, die wir sehr gut können oder worin wir sehr stark sind. Die viel besser sind als in den USA oder im Silicon Valley. Aber es gibt eben auch Felder, auf denen Amerikaner den Deutschen voraus sind. Diese beiden Dinge zu verbinden war eigentlich immer die Idee. Wir haben auch vieles organisiert, haben uns aber vor diesem Tourismus soweit es ging zurückgehalten, weil wir eher die Nachhaltigkeit im Kopf hatten. Uns ging es jetzt nicht um den Zoo-Besuch, nach dem Motto: Lauf mal einen Tag durch, schau dir alles an und sag: »Wow, das sind aber alles tolle Tiere.« Uns ging es darum, auszuprobieren, sich eine Übersicht von dem Zoo und den Tieren zu schaffen. Aber dass man auch hinter die Kulissen schaut und sieht: Der Elefant wird auch krank und der macht einen ganz schön großen Mist, und den muss man auch wegräumen. Uns ging es im Wesentlichen darum, einen Schritt weiterzugehen. Und idealerweise haben wir mit Firmen länger gearbeitet, die auch immer wieder rübergekommen sind.

Hat sich Ex-Bild-Chefredakteur Kai Diekmann und seine AxelSpringer-Posse auch bei euch gemeldet? Er war 2012 mit zwei Kollegen für ein Jahr ohne Auftrag für den Axel Springer Konzern im Silicon Valley.

Die drei haben wir auch kennengelernt und hatten immer wieder Kontakt. Aber für die haben wir keine Programme organisiert.

Auf Kai Diekmann hat der Aufenthalt so einen Eindruck gemacht, dass er letztendlich seine sichere Stellung, seine Machtposition, die er als Bild-Chefredakteur innehatte, aufgegeben hat, um Gründer von Storymachine zu sein. Im Silicon Valley hat er offensichtlich ein Jahr lang alles total aufgesogen, dass er sich tatsächlich vom Angestellten zum Gründer transformiert hat. Wie dort gearbeitet wird? Wie dort entschieden wird? Wie bereit die Leute waren, zu netzwerken, zu helfen, zu connecten … das hat ihn verändert.

Ich muss auch sagen, dass die Springer-Leute das extrem gut gemacht haben. Die haben es wirklich gelebt. Sie sind nicht als Besucher dahin gekommen, sondern sind da eingetaucht und haben das richtig mit Leidenschaft gelebt. Ich bin ihnen grundsätzlich sehr dankbar, weil ich glaube, dass dieses Startup-Bewusstsein speziell durch Kai Diekmann oder auch Christoph Keese mit seinen Büchern hier viel breiter wahrgenommen wurde.

Was bringst du denn an kalifornischem Lifestyle und Silicon-Valley-Mindset hier nach Heilbronn mit? Kommst du morgens mit einem Starbucks-Becher ins Büro?

Ich bin kein Kaffee-Trinker, ich bin Tee-Trinker, ich halte mich da raus. Ich glaube, ich bringe sehr viel aus Kalifornien mit, und sehr viel mehr als mir so richtig bewusst ist. Dieses Bewusstsein, wie kalifornisch ich bin, erfahre ich im Moment. Das erfahre ich dadurch, dass ich jetzt hier im Business bin. Ich muss mir eingestehen, das war mir gar nicht so bewusst, dass da mittlerweile ein Riesenunterschied ist. Das merke ich, wenn ich mit potenziellen Partnern draußen spreche. Oder auch mit Bewerbern. Ich versuche das Gute aus beiden Welten im Alltag zusammenzubringen. Ich will ja kein Einzelkämpfer sein, ich will ein Team aufbauen. Ich will viele Dinge bewegen. Ich will niemanden vor den Kopf stoßen. Mein Motto ist auch nicht: Was ich mache, ist das Richtige. Ich war nie jemand, der im Silicon Valley saß und gesagt hat: Alles, was in Deutschland ist, ist Mist oder alles, was hier ist, ist toll, und der nach drei Jahren kein Deutsch mehr spricht. Sondern ich bin jemand, der weiß, dass es Stärken und Vorteile auf beiden Seiten gibt. Und meine Hoffnung ist, dass wir es schaffen, von beiden die Stärken zusammenzubringen. Ein bisschen mehr Kalifornien zu werden, ohne unsere Wurzeln zu vergessen oder zu vernachlässigen. Und das haben wir uns jetzt in der Mission als Campus Founders erarbeitet: regionale Wurzeln, internationale Denke und nachhaltiges Handeln. Das ist das, was wir machen möchten. Wir möchten nichts hier überstülpen, was nicht hierhergehört.

Stimmungsbilder: So könnte der kommende Space der Campus Founders aussehen.

HANIX:

Und was mussten die Campus Founders bieten, dass du Silicon Valley verlässt und hierherziehst?

Oliver Hanisch:

Bei meinem ersten Besuch in Heilbronn vor fast genau einem Jahr hatten wir einen kurzen Rundgang über den Bildungscampus und mir wurde berichtet, was in den letzten Jahren alles geschehen und was noch geplant ist. Ich finde das einzigartig, was hier passiert. Ich finde das total spannend, dass wir mit Campus Founders ein wichtiges Puzzleteil bei der Transformation einer Region von einer wirtschaftlich starken Industrieregion in eine auch wissenschaftsgeprägte Region sein dürfen. Wirklich wahnsinnig spannend.

Ich habe in der Vergangenheit auch schon mal andere Angebote oder Möglichkeiten gehabt, wieder nach Deutschland zu kommen, um ein Gründerzentrum aufzubauen. Dazu habe ich mich nie entscheiden können, weil einfach der Kontext nicht gegeben war.

Und dann kam Heilbronn …

Ich hatte hier das Gefühl: Wow, das ist was Besonderes, davon möchtest du Teil sein, da kannst du Impact haben. Was für mich ganz wichtig ist. Jetzt ist hier die Chance, wirklich was zu bewegen. Grundsätzlich haben wir in Kalifornien sehr viel gemacht, auch für Leute in höchsten Positionen. Aber das Erarbeitete hat es oft nicht so richtig in die Firma reingeschafft. Die Executives haben das verstanden, die sind inspiriert. Die wollen Dinge tun. Aber dieser Transfer in die Unternehmung hinein ist wahnsinnig schwer. Und den konnten wir aus dem Silicon Valley nicht betreuen. Da waren wir zu weit weg.

Frustrierend! Hat den Unternehmen die passende Unternehmenskultur und ein »New Work«-Mindset gefehlt?

Für mich bedeutet New Work zwei Dinge: Auf der einen Seite ist es ein Toolkit, und auf der anderen Seite ist es eine Philosophie. So ähnlich wie Marketing. Ja, klar gibt es Marketingtools und es gibt auch »New Work«-Tools, die man irgendwie anwenden kann.

Und es ist auch gut, wenn man das tut – ich will das gar nicht abstreiten. Aber letztendlich geht es eigentlich darum, den neuen Gedanken tief in die Organisationen zu bringen und die Unternehmenskultur zu verändern. Und da waren wir im Silicon Valley komplett außen vor. Meine Hoffnung, dadurch dass ich jetzt hier bin, ist, dass ich diesbezüglich mehr leisten kann, noch mehr Impact haben kann.

Kannst du ein Beispiel skizzieren, wie du das meinst?

Wenn ein Unternehmen innovativer werden will und zwar nicht inkrementell innovativer, um zu sagen: »Wir bauen jetzt ein Produkt, das nochmal 10% besser ist.« Sondern wenn das Unternehmen zu dem Entschluss gekommen ist, das Potenzial seiner Mitarbeiter noch mehr fördern und heben zu wollen und ein Produkt zu entwickeln, das zehnmal besser ist, benötigt es einen anderen Ansatz, eine andere Kultur dafür.

Schafft ein Unternehmen aus dem Stand einen solchen Qualitätssprung für ein Produkt aus seinem Kerngeschäft?

Das kann gegebenenfalls auch gut außerhalb des Kerngeschäfts passieren. Wenn es erstmal nicht das Kerngeschäft betrifft, ist das Risiko geringer und damit die Bereitschaft etwas Neues auszuprobieren oft größer. Bei Erfolg könnte sich eine neue Geschäftseinheit oder sogar kleines Spin-Off entwickeln, das mit internen Team-Mitgliedern besetzt ist. So können Unternehmen auch New Work umsetzen, im Sinne von Intrapreneurship.

Nicht nur ein Toolkit, sondern eine Philosophie und eine Herangehensweise, wie man Dinge anders machen kann. Dass solche Modelle funktionieren können, habe ich selbst erlebt. Ein mir bekanntes Unternehmen aus der Region bindet so Mitarbeiter mit Leidenschaft für das, was sie tun, und dabei unternehmerisch denken und handeln.

Inwieweit sind die Unternehmen hier offen dafür, solche geschützten Teams zuzulassen, die man nicht so unter Kontrolle hat, deren Gedanken man nicht ausschließlich gut findet?

Ich habe diesbezüglich nur sehr limitierte Datenpunkte. Im Moment bin ich noch nicht groß in der Fläche vernetzt, habe noch nicht mit allzu vielen etablierten Unternehmen gesprochen. Aber ich muss sagen, ich sehe bisher Unternehmen, die sehr fortschrittlich sind, die auch schon intern eigene Experimente und Pilotprogramme durchgeführt haben.

Du hast ja selbst gegründet. Nun berätst du Gründer. Was macht mehr Spaß?

Ich bin nicht der Beratertyp. Wenn ich Gründer betreue, sehe ich mich nicht als Consultant. Da bin ich Mentor. Wobei, und das betone ich auch immer: Ich als Mentor lerne von meinen Mentees genauso viel wie die von mir. Insofern sehe ich mich nicht als jemand, der anderen sagt, was sie zu tun haben, sondern versuche die richtigen Fragen zu stellen und zu helfen. Ich sehe mich als Teil des Teams und bin dann auch mit Herz dabei.

Ist diese anti-hierarchische Haltung auch ein Thema, woran man hier bei den höheren Leveln in den Unternehmen arbeiten muss? Und: Wie ist das Status- und Hierarchiedenken in Kalifornien ausgeprägt?

Das ist eine schwierige Frage: Einerseits legt man wenig Wert darauf. Man steht an der Kasse und denkt, was ist denn das für einer vor mir? Völlig zerzaust. Andererseits läuft derselbe Mensch dann in seinen Flipflops mit Einkaufstüte aus dem Supermarkt und steigt in seinen Maybach und fährt zu seiner Millionen-Villa in Atherton. Und das mit dem Maybach, das ist ein echtes Beispiel. Das erfinde ich nicht gerade.

Wilhelm Maybach ist übrigens gebürtiger Heilbronner!

Sehr schön. Also, dass er aus dem Ländle kommt, wusste ich, dass er Heilbronner ist, nicht. Grundsätzlich gehen die Leute auf Augenhöhe miteinander um. Egal, wo sie sich ökonomisch ansiedeln. Sie verstehen sich als Teilnehmer im Ökosystem und haben dabei eine bestimmte Rolle inne. Das ist nun wieder das, was wir hier auch versuchen aufzubauen, diesen Ökosystem-Gedanken.

HANIX:

Wir sprechen nicht von der Natur?

Oliver Hanisch:

Wenn ich vom Startup- und Innovations-Ökosystem spreche, beziehe ich mich auf alle Akteure, die für den Erfolg der einzelnen Teilnehmer und damit auch des gesamten Systems verantwortlich sind. Jeder Teilnehmer, ob Investor, etabliertes Unternehmen oder auch die öffentliche Administration, um nur einige zu nennen, hat eine Rolle. In Silicon Valley ist man sich dieser Rolle jedoch mehr bewusst, als es hier noch der Fall ist. Dort leben sie diese Rollen.

Da hat man als Gründer innerhalb weniger Tage einen Termin mit dem CTO eines großen Konzerns – wenn das spannend ist, was man zu erzählen hat. Wenn nicht, hört man auch: »Sorry, kein Interesse.« Man ist sich für niemanden zu fein. Denn man weiß nie, mit wem man es zu tun. Man weiß nie, was derjenige nächstes Jahr macht und ist. Oder in fünf Jahren. Man weiß nie, ob man vielleicht eine Chance verpasst, wenn man einen Gründer nicht trifft, der auf der Suche nach Feedback oder Investment ist. Weil er vielleicht der nächste Steve Jobs ist. Und diese Geschichten gibt es wie Sand am Meer. Und dadurch ist diese Offenheit und diese Durchlässigkeit von Hierarchien eine andere als hier.

Und wie ist es hier bei den Campus Founders?

Ich bin ein Team-Mitglied. Ich habe manchmal Dinge, die ich entscheiden muss, die kein anderer entscheiden kann. Aber letztendlich sehe ich mich als Team-Mitglied, mit dem man über alles reden kann. Ich frage genauso meine Kollegen, was sie über Themen, die mich beschäftigen, denken, wie sie das tun. Neue Mitarbeiter bekommen einen Vertrauensvorschuss und ich gebe viel Freiraum. Das scheint eine Art Leadership zu sein, die vielleicht in der Region noch nicht so verbreitet ist. Damit meine ich gar nicht unbedingt die Vorgesetzten, sondern auch die Mitarbeiter, die noch in anderen Strukturen und Denkweisen stecken und vielleicht auch Freiheiten, die sie bekommen, gar nicht wahrnehmen.

Was wollen die Campus Founders denn sein und wie soll die Arbeitsatmosphäre hier nach deiner Vorstellung aussehen?

Unser Anspruch ist, ein Zuhause für Gründungsinteressierte, Startup-Teams und für Innovatoren zu sein. Ich persönlich arbeite sehr viel. Hier will ich mich verwirklichen, Ideen umsetzen, Dinge ausprobieren. Ich verbringe so viel Zeit bei der Arbeit, dass ich mich in der Umgebung, in der ich arbeite, wohlfühlen möchte. Ich verbringe viel Zeit mit meinen Kollegen, daher ist es mir wichtig, welches Verhältnis ich mit ihnen habe. Ich bin nicht der Typ, der im Elfenbeinturm sitzt.

Aus welcher Generation kommen denn die gründungsfreudigsten Mitglieder? X, Y oder Z?

Wir wollen mit den Campus Founders alle, unabhängig vom Alter, auf ihrem Entrepreneurial Journey, also von der Ideenfindung bis zum erfolgreichen Startup, begleiten. Wir wollen ganz früh anfangen mit Leuten, die sich entweder schon für das Thema Gründung interessieren oder auch noch nicht. Das heißt, wir möchten diese Option, selbst zu gründen und ein Start Up aufzubauen, in die Hochschulen mit reinbringen und dann komplett durchbegleiten. Wenn ich jetzt aber weiß, dass das Durchschnittsalter der Gründer zum Beispiel in Silicon Valley bei über 40 Jahren liegt, ist das vielleicht überraschend.

Ihr seid also nicht nur für Studenten da?

Wir sind für Studenten und alle anderen da, die sich für das Thema Startup und Innovation interessieren. Neulich war ein Gründer bei uns, der war schon ein älteres Semester. Er bringt natürlich einen ganz anderen Erfahrungsschatz mit als jemand, der gerade frisch von der Uni kommt. Alter ist für uns nicht so relevant. Jedoch nehme ich wahr, dass bei den unterschiedlichen Generationen ein unterschiedliches Risikobewusstsein besteht. Wenn ich natürlich aus der Generation X (zwischen 1965 und 1979 geboren; die Red.) bin, habe ich wahrscheinlich ganz andere Verpflichtungen, als wenn ich zur Generation Z (zwischen 1996 und 2010 geboren; die Red.) gehöre. Für mich ist das Risikoempfinden vor allem bei den jüngeren Generationen oft nicht nachvollziehbar, weil sie meiner Meinung nach eigentlich kein Risiko tragen. Aber irgendwie fühlen sie sich so, als ob sie wahnsinnig viel Verantwortung hätten.

Fehlt ihnen die Chuzpe?

Was ist denn dabei, wenn man als junger Mensch mal ein Jahr oder zwei Jahre in ein Startup investiert? Man lernt wahnsinnig viel – selbst oder gerade im Falle des Scheiterns. Das wird aber nicht so gesehen, oft steht das empfundene finanzielle Risiko im Fokus. Das ist das halb leere Glas, auf das ich mich bereits vorhin bezog. Anstatt zu denken: »Hey, wenn ich es schaffe, dann kann ich viel Geld verdienen. Dafür kann ich in einem normalen Job lange arbeiten.« So denken die aber nicht. Auch viele, die es mal probieren und beim ersten Versuch scheitern, gehen dann doch wieder etwa in die Beratung, anstatt zu sagen: »Jetzt habe ich so viel gelernt, die Fehler, die ich gemacht habe, die erspare ich mir und schaffe es beim nächsten Mal.« Und das Scheitern geht ja gar nicht unbedingt auf Kosten der Gründer. Ein U.S. Investor sagte einmal zu mir, dass ein einmal gescheiterter Gründer auf Kosten von jemand anderem gelernt habe und erst dann bereit für sein eigenes Investment sei.

Ihr solltet »Optimismus«-Bootcamps durchführen.

Dieses grundskeptische Empfinden wird leider oft auch von außen an die Gründungswilligen herangetragen. Gerade auch durch Freunde aus der gleichen Generation. Ich bin da immer geschockt. Wir haben im Silicon Valley immer auch Praktikanten gehabt, was ich als wahnsinnig spannende Chance empfand. Wenn man noch in der Schule ist oder gerade die Schule abgeschlossen hat und in dieser Phase ein Jahr ins Silicon Valley geht – Wahnsinn! Aber wir kriegen tatsächlich von Leuten, die sich bei uns beworben haben und die wir ausgewählt haben, Absagen, weil sie dann zu einer Beratungsfirma in ihrer Stadt gehen. Warum? Weil sie da gleich mehr Geld verdienen. Und das ist so eine Einstellungssache und ein Stück weit dem Bildungs- und Karrieresystem hier geschuldet. Der Lebenslauf muss am besten lupenrein sein. Da passen Experimente nicht so ganz rein. Wobei ich glaube, dass sich das auch geändert hat. Wenn man in einen Lebenslauf reinschreibt, »ein Jahr Silicon Valley, Tel Aviv oder China«, ist das schon ein Pfund. Weil man einfach mal was anderes gesehen hat.

HANIX:

Zurück zu den Campus Founders hier in Heilbronn. Was für einen Arbeitsplatz finden die Leute, die hier sitzen werden, vor? Und mit wem sitzen sie zusammen?

Oliver Hanisch:

Wir verstehen uns als das Zentrum für Entrepreneurship und Innovation in der Region. Das ist unser Selbstverständnis. Daher sind wir kein Co-Working Space, wo man hingeht und sich einmietet. Entsprechend geht es bei uns nicht darum, eine große Fläche in kleinere Parzellen zu teilen und diese gewinnbringend zu vermieten. Das ist nicht unser Business. Wir denken eher in die Richtung Co-Creation. Um wieder auf diesen Ökosystem-Gedanken zurückzukommen: durch unser Programmangebot und das Zusammenbringen von Studenten, Gründerteams und Repräsentanten aus Unternehmen möchten wir das Ökosystem bereichern und entwickeln. Uns geht es darum, Synergien zu schaffen und spannende neue Produkte und Unternehmen zu kreieren.

Es geht um die Themen New Work, unternehmerisches Denken und Handeln, Methoden und Werkzeuge, Vernetzung, Begegnung und Austausch.

Ist der Campus-Founders-Space begegnungsfreudig?

Im November werden wir unseren neuen Space – das Campus Lab – auf dem Bildungscampus beziehen. Dort wird es verschiedene Bereiche der Begegnung und des Austausches geben. Es wird natürlich einen Event-Bereich geben, in dem wir alle zusammenbringen und eine Vielzahl von Formaten anbieten wollen.

Es wird auch eine Art Coffee Lounge geben, wo einfach mal ein ungezwungener informeller Austausch stattfinden soll, wo man mal zusammensitzen kann, ohne ein offizielles Meeting zu haben. Wo man auch einfach mal ineinander rennt. Ein Bekannter von mir ist an der UC Berkeley für das Entrepreneurship-Programm verantwortlich. Die haben es Collider genannt. Collider, wo Dinge und Personen kollidieren: Nicht immer geplant, aber sie treffen aufeinander und es entstehen neue Dinge.

Ist das Space dann »nur« ein Tool für euch?

Es ist ein Labor und damit Experimentierumfeld für das Ökosystem. Es ist aber auch ein Büro mit Meeting-Räumen, Think Tanks, einem Projektraum usw. und wir bespielen dort im Rahmen unseres Academic Lab, unserem Startup Lab und Corporate Lab drei Bereiche. Und diese Programme laufen dann Großteils in unserem Space.

Mit dem Academic Lab sprechen wir eher die Jüngeren und Studierenden im Rahmen ihrer Ausbildung an. Und teilweise bekommen sie sogar Credits an ihrer Hochschule, wenn sie bei uns teilnehmen. Auf der anderen Seite sind es Leute, die mit der Hochschule nichts zu tun haben, sich aber für das Thema Entrepreneurship interessieren. Im Startup Lab finden sich die Gründer, die Gründerteams wieder, die vielleicht schon Startups sind oder kurz davor. Und wir wollen Startups gewinnen, die hier in die Region kommen. Die unsere Community und das regionale Ökosystem kennenlernen und sich vernetzen wollen. Und der dritte Part ist das Corporate Lab, in dem wir auch Unternehmen jeder Größe Programme anbieten werden, die sich zukunftsfähig aufstellen möchten.

Uns geht es ja darum, dass es der Region weiterhin so gut geht. Und alle gehören in dieses Ökosystem. Alle haben ihren wichtigen Platz darin. Und wenn da einer rausfällt, funktioniert das Ökosystem nicht mehr richtig. Aus der Natur kennt man es: Wenn es die eine Fischsorte nicht mehr gibt, stirbt die andere Fischsorte auch. Und die Abhängigkeiten hier in der Region sind ja vergleichbar groß. Es ist unser Ziel, dass sich in unserem Space alle auf Augenhöhe begegnen. Und wir versuchen auch zu initiieren, dass sie sich untereinander austauschen.

Welche Raummodelle wird es im Space geben?

Es gibt Mitglieder, die den Space wahrscheinlich hin und wieder nutzen. Die können sich heute mal hier hinsetzen und morgen da. Es gibt aber auch Mitglieder, die ihren Arbeitsplatz täglich nutzen möchten und bei uns ihren Hauptarbeitsort haben, wo sie ihren Rechner oder Monitor stehen lassen oder auch mal was wegschließen wollen. Und dann gibt es kleine Teams, die mal die Tür schließen wollen. Wir versuchen für alle auch das Richtige bereitzustellen.

Wir schauen aber darauf, dass alle auch was einbringen. Sie sollen nicht nur reingehen und konsumieren, sondern mit ihrer Arbeit auch einen Beitrag für die Community in diesem Space leisten. Ob das ein kleiner Vortrag ist, ob es eine Anregung für eine Diskussionsrunde ist … es sollen immer wieder Anlässe von allen, die hier sind, initiiert werden. Das ist ein Kulturthema. Im Valley ist es viel offener, man sucht den direkten Austausch. Hier kann ich mir vorstellen, dass man einige Mitglieder vielleicht noch ein bisschen dahin schubsen muss, dass sie diesen Austausch suchen. Und das wird sicherlich auch die Herausforderung sein, ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln, bei dem man sich wirklich auf Augenhöhe austauscht.

Wird es einen Community-Manager für den Space geben?

Die gibt es schon. Unser Anspruch ist, dass wir alle Mitglieder kennen. Vom Modell kann man es sich vorstellen wie ein Fitnessstudio, aber dann doch wieder anders. Unser Space ist eben dieses Fitnessstudio, und da ist man Mitglied, man hat dann Infrastruktur oder Angebote, die allen Mitgliedern zur Verfügung stehen. Man hat eine Umkleide, ein Fahrrad, ein Laufband und man kann einmal die Woche oder jeden Tag kommen. Man kann eine Stunde bleiben, man kann rund um die Uhr bleiben. Gleichzeitig sind wir diejenigen, die dann Yoga und die anderen Kurse und Klassen anbieten, bei denen die Mitglieder mitmachen sollen und können.

Ihr sprecht die Leute auch aktiv auf eure Angebote an? Nach dem Motto: Nächste Woche gibt es Yoga, komm doch mal dazu.

Absolut. Und das meine ich, ist auch der Unterschied zum Fitnessstudio: Wir wollen wissen, wer bei uns Mitglied ist. Wir wollen alle kennen. Wir haben einen Profilbogen erstellt. Der fragt ein paar Basics ab: »Das bin ich, so erreichst du mich; das sind meine Interessen, das versuche ich zu erreichen. Hier brauche ich Hilfe, und hier kann ich helfen. Hier ist meine Expertise.«

Und das versuchen wir schon von den einzelnen Mitgliedern zu verstehen und diese dann aktiv zusammenzubringen. Wir wollen uns nicht nur auf diesen »Collider« verlassen und hoffen, dass es sich automatisch ergibt. Sondern das zu moderieren und zum Beispiel sagen zu können: Über das Thema hatten wir kürzlich mit X von der Firma Y gesprochen; ich bring euch mal zusammen, ihr solltet euch mal austauschen. Das ist also eine aktive Rolle, die wir einnehmen möchten. Wir wissen, wer da ist, wer es ist und wie man demjenigen helfen kann. Und unsere Personal-Trainer sind dann unsere Mentoren und Experten oder unsere Coaches, die wir unseren Mitgliedern auch zur Verfügung stellen werden.

Zum neuen Semester startet ein erster Wettbewerb, die Corporate Campus Challenge …

Wir kooperieren hierfür mit Unternehmen, die jeweils eine Challenge stellen und Hochschulpartnern, damit auch die Studenten die Möglichkeit haben, daran aktiv teilzunehmen. Aber es ist nicht exklusiv für Studenten. Die Corporate Campus Challenge ist offen für Startups und jedermann, der sich einer solchen Challenge annehmen möchten.

Und warum sollte man sich bewerben?

Es sind eigentlich zwei Aspekte. Der eine ist, dass man tatsächlich an einem realen Thema arbeiten kann. Der zweite ist, dass man Methoden und Tools kennenlernt. Dass man nicht nur an dem Thema arbeitet, sondern dass man auch lernt, wie man an eine Problemstellung herangeht. Wie sich Teams zusammenfinden, wie auch Teamworking stattfindet. Wie diese Methoden entwickelt werden. Wie man zu einem Prototypen kommt. Wie man dieses Produkt aber auch vorstellt. Entsprechend wird auch ein Pitch-Training dabei sein. Und im Januar kommt die Jury zusammen, vor der die Ergebnisse dann präsentiert werden.

Dann gibt es im Frühjahr die zweite Corporate Campus Challenge und noch weitere Formate?

Nachhaltigkeit ist für uns wichtig. Die Corporate Campus Challenge ist ein erstes Experiment. Wir hoffen, dass es erfolgreich wird. Wir leben sehr stark von Feedback. Wenn irgendjemand sagt, »alles Mist«, dann werden wir es vielleicht nicht mehr machen. Wenn die Leute sagen, »das war super«, machen wir weiter. Und wenn die sagen, »das war super, aber da müssen wir noch dran arbeiten«, und das wird wahrscheinlich der Fall sein, dann werden wir das Format anpassen und weiterentwickeln. Das ist eine erste Version unseres Produktes Corporate Campus Challenge.

Wir freuen uns, dass wir dafür drei Partner gewinnen konnten. Wir freuen uns, dass die Hochschulen mit uns kooperieren. Und wir hoffen, dass im Januar tolle Lösungsansätze vorgestellt werden und alle im Prozess viel gelernt haben. Der zweite uns wichtige Aspekt ist, dass es für die, die das Format abgeschlossen haben, auch eine Anschlussmöglichkeit geben wird. Es soll kein One-Shot sein. Ziel ist, dass man diesen Teilnehmern weitere Formate anbietet, die in die nächsten Stufen gehen, um sie auf den unternehmerischen Weg vorzubereiten oder sie zu begleiten.

Und was soll dabei am Ende rauskommen?

Idealerweise, wenn ich mir was wünschen könnte, würde da ein Startup rauskommen, in das einer der Corporate Partner investiert, um bei der Reise dabei zu sein und dem Ganzen dadurch auch Glaubwürdigkeit gibt. Ob wir es beim ersten Mal schaffen, weiß ich nicht. Aber das ist die Zielsetzung, die wir damit verfolgen.

Und was wäre denn für jemanden wie mich oder Fotografin Ulla der beste, schnellste Weg, um in Zusammenarbeit mit euch zu kommen oder von den Programmen, die ihr anbietet, zu profitieren?

Wir haben gerade unsere Webseite gelauncht und sind auf den üblichen Social Media Kanälen vertreten, da gibt es Kontaktmöglichkeiten und alle Veranstaltungen sind sichtbar. Wir veranstalten einmal im Monat ein Meetup. Wir wollen Anlässe schaffen, zu denen man einfach hingehen kann, um sich mit Gleichgesinnten zu treffen, um sich auszutauschen, um da quasi den ersten Anknüpfungspunkt zu dem Thema und zu Campus Founders zu finden. Ulla und du seid dabei jederzeit herzlich willkommen. Und wer weiß, vielleicht können wir auch euer Team dabei unterstützen, Hanix noch erfolgreicher zu machen.


Info: www.campusfounders.de